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Das "Russlands-Deutsche Haus"

Das Themenjahr "Reformation und Toleranz" stellt die Frage nach den Bedingungen von Toleranz heute. Dazu zählen auch Fragen wie: "Wie gehen wir um mit Fremden, die zu uns kommen? Wie erleben wir uns selber als Fremde im Ausland? Welche Erfahrungen machen wir im Dialog mit Menschen anderer Herkunft (und anderer Religion)?" Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Projekte, die die Internetplattform "Kirche im Aufbruch" in diesem Monat vorstellt.

Das Projekt des Monats beschäftigt sich mit Russlanddeutschen in Deutschland. Wie viel weiß die Mehrheitsgesellschaft über sie, über ihre Geschichte, ihre Erfahrungen? Wie viel Toleranz bringen wir für sie auf?

Eine Ausstellung der Aussiedlerarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen nimmt dieses Grundthema auf und präsentiert russlanddeutsches Leben und russlanddeutsche Geschichte in Form eines Hauses. Der Name Russlands-Deutsches Haus ist dabei ganz bewusst gewählt: Er ist die Selbstbezeichnung der aus Russland Zugewanderten und stammt aus einem alten Dialekt.

Ein Haus zu bauen, heißt einen Ort als seine Heimstatt wählen, an dem man die Zukunft erwarten und gestalten will. Ein Haus zu bauen, bedeutet aber auch die Selbstverpflichtung, am fremden Platz heimisch werden zu wollen. Es schafft ein Dach über dem Kopf und für die Lebensträume.

Ob an der Wolga, in Wolhynien, Bessarabien, am Schwarzen Meer, auf der Krim oder am Kaukasus, überall haben deutsche Einwanderer ein Haus gebaut und damit eine neue Existenz gegründet. Als man nach 1941 aus dem europäischen in den asiatischen Teil der UdSSR verschleppt wurde, hat man auch dort irgendwann angefangen, ein Haus zu bauen. Nach der Aussiedlung nach Deutschland beginnen viele "Russlands-Deutsche" wieder von vorne.

Das - äußerlich einem Lehmhäuschen in Sibirien oder Kasachstan nachempfundene -  Haus der Ausstellung ist 6x7 m groß und 2 m hoch. In vier Räumen wird Russlands-Deutsches Leben und Erleben präsentiert:

In der Russlands-Deutschen Stube wird man in die Wohnsituation hinein genommen mit zahlreichen Original-Exponaten aus den Herkunftsgebieten. Im Gedenkraum wird an die Opfer des stalinistischen Terrors und der Verschleppung erinnert. Der Betraum informiert anschaulich über russlanddeutsche Frömmigkeit in Geschichte und Gegenwart. Die alten Bibeln, Predigtbücher und (handgeschriebene) Liederbücher erinnern auch an die Zeit, in der man im Atheismus den Glauben bewahrt hat. Der Korridor nach Deutschland zeigt sinnenfällig das schwierige, langjährige und z.T. demütigende Aufnahmeverfahren. Schließlich wird an einer Außenseite der lange und wechselvolle Prozess der Integration visualisiert.

Während der Öffnungszeiten ist das Haus immer "bewohnt" von geschulten ehrenamtlichen Mitarbeitenden (meist Russlanddeutsche), die die Besuchenden durch die Räume begleiten, diese erläutern und zugleich sie mit in ihre eigene Lebensgeschichte nehmen. Diejenigen, die sich als Ausstellungsbegleiter ausbilden lassen und aktiv werden, berichten, dass sie durch diese Mitarbeit sich ernstgenommen und ermutigt fühlen zur weiteren Mitarbeit in Gesellschaft und Kirche.

Auf der Seite der russlanddeutschen Besuchenden war zu beobachten, dass viele erleichtert sind, dass ihr Schicksal und ihre besondere Geschichte einfühlsam dargestellt werden. Die anfängliche Angst, wieder einmal in der Öffentlichkeit bloßgestellt zu werden, wandelt sich in Dankbarkeit. "Danke, dass Sie unsere Geschichte endlich fair aufnehmen und zeigen." schrieb ein Aussiedler.

Die Ausstellung wird auch Anfang Mai beim Kirchentag in Hamburg auf dem Markt der Möglichkeiten zu sehen sein.


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Publikationsdatum dieser Seite: Mittwoch, 7. Februar 2018 17:39