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Tatort-Gottesdienst im Kino

In der Filmkunst bildet sich der Zeitgeist - also das, was Zeitgenossinnen und -genossen bewegt, bedrängt, erfreut, mit Sehnsucht erfüllt oder was sie in Frage stellen - sehr aktuell ab. Filme sind ein durchaus schnelllebiges, darum auch "gleichzeitiges" Medium. Klassisches Beispiel hierfür ist die Krimireihe "Tatort". Sie versammelt Millionen von Deutschen sonntagabends vor den Fernsehern und genießt Kult-Status. Der "Tatort" ist die zuschauerstärkste Krimiserie im deutschen Fernsehen. Sie hat eine lange Geschichte und spielt für viele Menschen eine wichtige Rolle als Ritual im Alltag. Dabei spiegelt der "Tatort" (immer wieder humorvoll und manchmal verborgen) auch religiöse Themen wider.

Kino statt Kirche

Kino-Gottesdienste sind Gottesdienste am anderen Ort. Sie lassen sich auf das Setting des Kinos ein - im Unterschied zu Film-Gottesdienst in der Kirche. Filmkunst und theologisch-liturgische Tradition werden dabei zu Gesprächspartnern auf Augenhöhe. Erfahrungen von Fremdheit sind erwünscht. Beiderseitige Lernerfahrungen sind intendiert. Der Dialog mit der Filmkunst hilft der Kirche dabei, die zeitgeistigen Themen zu entdecken und Antwortversuche darauf wahrzunehmen.

In Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk (SWR) wurden im Baden-Badener Kino "Filmcollier" an drei Sonntagen Kino-Gottesdienste angeboten. Die drei südwestdeutschen Tatort-Teams wurden mit je einem Sonntag bedacht:

"Der Wald steht schwarz und schweiget, oder: Wunden" (Team Ludwigshafen)
"Die schöne Mona ist tot, oder: Verstrickt" (Team Konstanz)
"Altlasten, oder: In Würde" (Team Stuttgart).

Filmsequenz als Grundlage der Predigt

Im Gottesdienst wurde jeweils ein etwa achtminütiger Ausschnitt aus dem jeweiligen "Tatort" gezeigt, der als "Predigttext" beziehungsweise Gesprächsgrundlage diente. im Anschluss an den Gottesdienst war dann Gelegenheit, in einer Filmmatinee den Tatort als Ganzes zu sehen.

Der Filmschaffende ist kein Seelsorger, aber er trifft sich mit ihm an Schnittpunkten: "Die Abgründe der Seelen, vor uns liegen Motive, Sehnsüchte und Ziele von allerdings meistens fiktiven Figuren." So beschreibt Manfred Hattendorf, Abteilungsleiter Film/Planung beim SWR, die Schnittmenge von Seelsorge und Spielfilm. Den Besuchern und Besucherinnen der Gottesdienste in Baden-Baden wurden diese Schnittmenge sehr deutlich. Dies gelang durch eine entsprechende Liturgie aus Hinführung zum Film und Gebeten, Liedern und biblischen Lesungen mit Fokus auf dem Thema der Tatort-Folge.

"Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit; und alle Welt vergehet mit ihrer Herrlichkeit", dichtete Matthias Claudius. "Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?" fragte der Beter des Psalmes 8. Beide Texte führten im Gottesdienst hin zum Tatort "Altlasten":

Was bedeutet ein Leben in Würde?

Der Tod des über 80-jährigen Willy Schubert kam nicht überraschend, denn er war lange schon schwer krank. Doch ein aufmerksamer Amtsarzt entdeckt, dass Schuberts Tod von einer Medikamentenvergiftung verursacht wurde. Nun müssen Thorsten Lannert und Sebastian Bootz innerhalb der trauernden Familie ermitteln.

Da ist Tochter Eva, gefangen im Konflikt, sich um die Eltern zu kümmern und dennoch ihren Beruf und ihre Kinder nicht zu vernachlässigen. Ihr Mann Holger, vom Schwiegervater stets gefördert, ist inzwischen zwar offiziell der Leiter der Kanzlei, aber dennoch abhängig von der Zustimmung Willys. Und Peter, der Sohn, dessen Gefühl für familiäre Verbundenheit wesentlich lockerer ist, der aber sein Erbe sehr gut gebrauchen könnte. Selbst Brise, 55 Jahre lang Willys geliebte Ehefrau, die wegen beginnender Demenz immer weniger in der Realität lebt, kommt als Mörderin in Betracht.

In der im Gottesdienst gezeigten Szene, spielt die ganz bemerkenswerte Bibiana Zeller die Rolle der Brise Schubert, die sich ihrer Alzheimer-Erkrankung stellen muss. Der Film stellt die Frage nach dem Leben in Würde. Gleichzeitig zeigt er an, wie unmöglich es ist, der Würde Grenzen zu setzen.

"Gott, dessen Ebenbilder wir sind und bleiben, auch im Schmerz, im Verlust, Gott liebt uns und trägt uns im Herzen. Wir sind immer schon Geliebte, das macht unsren Wert und unsere Würde aus, von denen niemand etwas abschneiden kann. Ich glaube, diese Einsicht, diese Zusage müsste uns Mut machen, unsere Wege zu Ende zu gehen, alle Wege, die leichten und die, bei denen wir Hilfe brauchen." So zeigte Pfarrer Thomas Weiß in seiner Predigt den etwa 100 Besuchern und Besucherinnen des Gottesdienstes (viele von ihnen sind keine regelmäßigen Gottesdienstbesucher) die christliche Perspektive auf das Ende des Lebens voller Hoffnung auf.


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Publikationsdatum dieser Seite: Mittwoch, 7. Februar 2018 16:59