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Der Rottweiler Jahresaltar - Gegenwartskunst trifft auf Barock

In den Jahren 2013/14 war es eine schwarze Spiegel-Installation in Verbindung mit der auf den Altarkasten applizierten Frage "Was sucht Ihr?". Eine Arbeit, deren Faszination sich über eine Fotografie nur annähernd vermittelt, die die Betrachter vor Ort aber unmittelbar zur Auseinandersetzung herausforderte. Die Stuttgarter Glaskünstlerin Angelika Weingardt schuf diese Arbeit für den Chorraum der Predigerkirche im württembergischen Rottweil.

Mit dem sogenannten Psallierchor, dem Oratorium hinter dem Hochaltar, birgt der Chorraum der Predigerkirche einen ganz besonderen liturgisch und ästhetisch reizvollen Ort. In dem barocken Gestühl kamen einst die Mönche zu den Stundengebeten zusammen. An der Rückwand des Hochaltars steht ein barocker Altaraufbau - jedoch ohne Altarblätter. Ein vom Kirchenbezirk Tuttlingen unterstütztes Projekt bietet hier seit 2010 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, eine temporäre Altargestaltung vorzunehmen.

Neue liturgische Wahrnehmung des Altars

Jeweils für die Dauer von einem Jahr führt Gegenwartskunst im barocken Rahmen zu einer spannenden ästhetischen Begegnung verschiedener künstlerischer Positionen und Stile - und lädt zudem zu einer neuen liturgischen Wahrnehmung des Altars und des ganzen Psallierchores ein.

Im Jahr 2010 zeigte der Bildhauer Franz Gutmann aus Münstertal einen Kruzifixus im Hauptblatt sowie eine geöffnete Hand im Oberblatt. Die anschließende Arbeit der Holzschneiderin Martina Geist aus Stuttgart - zwei Holzschnitte - trug den Titel "Stuhl 2011". Der Jahresaltar 2012 wiederum wurde von dem Maler und Performancekünstler Uwe Schäfer aus Stuttgart gestaltet. Mit der temporären Arbeit für die Rottweiler Predigerkirche malte er erstmals für einen sakralen Zusammenhang. Von diesem besonderen Kontext der spätbarocken Predigerkirche ließ er sich ebenso inspirieren wie von den gotischen Fenstern im Chorraum. Mit der dreiteiligen Arbeit für den Jahresaltar zitierte und montierte er verschiedene Perspektiven des Raumes der Predigerkirche und tauchte sie in die für den Künstler typische Farbenwelt.

Assoziationen an das Display eines Tablets

Zuletzt war als Jahresaltar 2014 die Installation der Glaskünstlerin Angelika Weingardt zu sehen. Ihre schwarzen Spiegel schufen eine unendlich anmutende Blicktiefe und zugleich faszinierende Spiegelungen der Raumumgebung. Assoziationen an das Display eines ausgeschalteten Tablets oder Smartphones stellten sich ebenso ein wie religiöse Fragehorizonte nach dem Phänomen der Dunkelheit, beispielsweise in Anlehnung an Jochen Kleppers "Will Gott im Dunkel wohnen?". Die entscheidende Frage war jedoch die von Angelika Weingardt mit Blattsilber in barocker Fraktur am Altarcorpus aufgetragene Umkehrung unserer Erwartung. Wo für gewöhnlich der barocke Altar eine Botschaft vermittelt, wurden nun die Betrachter ausdrücklich gefragt: "Was sucht IHR?"

Wie Kunst den Kirchenraum gestaltet, ist Thema dieses Monats auf der Internetplattform "Kirche im Aufbruch" im Rahmen des Themenjahres "Reformation: Bild und Bibel". Der Bogen reicht dabei von Installationen im Kirchenraum bis zu von Gemeindegliedern selbst hergestellten Paramenten.


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Publikationsdatum dieser Seite: Mittwoch, 7. Februar 2018 16:59