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Begegnungen im Licht gebrochen - die Fenster der Heidelberger Peterskirche

Die Peterskirche in Heidelberg ist ein Ort besonderer Ort der Begegnung. Sie ist Universitätskirche. Hier trifft Theologie auf Gemeinde, hier kommen Theologen mit Wissenschaftlern anderer Fachbereiche zusammen, hier trifft Wissenschaft auf Öffentlichkeit. Dies kommt nicht nur in den verschiedenen Gottesdienstformen in der Kirche, sondern auch in ihren Fenstern zum Ausdruck.

Im Zuge einer Renovierung wurde im Kirchenvorstand die Idee entwickelt, den bekannten Künstler Johannes Schreiter um Entwürfe für einige Fenster zu bitten. Die Finanzierung erfolgte allein durcg Fenstern.

Es entstand ein Zyklus von neun Fenstern. Zu jedem Fenster wurde eine eigene Predigt gehalten. Wie jede Kunst eröffnet auch die Glaskunst verschiedene Zugänge und Deutungen. Im Unterschied zur traditionellen Glaskunst, in der häufig Geschichten malerisch erzählt werden oder deren Darstellungen - wie im zentralen neogotischen Glasfenster im Chorraum - eindeutig als Szenen der Heiligen Schrift erkennbar sind, verzichtet Johannes Schreiter auf die alten, oft klischeehaft anmutenden Symbole und Farben der Tradition. Seine weltweit beachtete und anerkannte Kunst ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie eine zeitgenössische abstrakte Formensprache in der Glaskunst weiterentwickelt und diese dadurch aus alten Fesseln löst. Das bedeutet jedoch nicht, dass Schreiters Kunst keine Botschaften beinhaltet, jedoch sind sie nie eindeutig oder gar als Intention des Künstlers formulierbar. Sie müssen vom Betrachter selbst wahrgenommen und gebildet werden.

"Begegnung" ist auch das erste Fenster überschrieben. In seiner rechten Hälfte sind die für den Künstler typischen Klammerfiguren erkennbar, die oft für Menschen stehen. Sie sind in einer Reihe paarweise einander zugeordnet: Begegnungen, die sich zwischen Menschen, Fächern, Kulturen, Religionen, Lehrenden und Studierenden ereignen. Sie geschehen, jedoch bleiben gewisse Distanzen erhalten - Verschmelzungen finden nicht statt. Wie in der Wissenschaft und im Leben gelingen nicht alle Begegnungen. Im dritten Paar von unten wendet sich ein Partner ab, weiter oben fehlen die Gegenüber, zwei Figuren bleiben allein, obwohl sich eine über die eignen Grenzen hinaus ausstreckt. An der linken Seite des Fensters sind zwei Streifen erkennbar, ein schmaler weißer und ein roter. Dieses Weiß, das auch im oberen Maßwerk und in vielen Klammerfiguren erscheint, ist im Zyklus die Farbe Gottes. Sein Geist erfüllt, verändert und bewegt Menschen. Seine Liebe (die Farbe rot wird hier anders als in der kirchlichen Tradition verwandt) will Menschen erfüllen (weiße Figur, unten links) und kann - den einzelnen durchaus unbewusst - gelingende Begegnungen prägen: Im ersten, zweiten und siebten Paar entsteht durch die Begegnungen ein Kreuz in Rot; im siebten Paar ist vom weißen Streifen ausgehend der Kraftstrom, theologisch: der Segen, erkennbar; das erste Paar nimmt in Farbe und Ausdehnung eine Sonderstellung ein.

Zwei kleine romanische Fenster widmen sich den Themen Wort (oben) und Sakrament (unten) und damit einem zentralen Begriffspaar evangelischer Theologie. Beide Fenster sind erfreulich uneindeutig. In ihnen ist jeweils durch die Form als Zwillingsfenster (und die Bildgestaltung des unteren Fensters das Kreuz erkennbar. Das Wort im biblischen Sinn ist das "Wort vom Kreuz" (1. Kor 1,18), also die Botschaft, dass Gott im gekreuzigten und auferweckten Christus sein Wirken für alle und ein für alle Mal gezeigt hat. Das Kreuz im oberen Fenster trennt aber nicht die grauen von den goldgelben Bereichen, sondern das leuchtende Gelb, das wohl für Gottes Wirken steht, reicht in den Bereich der grauen Flächen hinein. Vielleicht ist dies als mahnender Hinweis an die Kirche zu verstehen, die freie Gnade Gottes nicht in Kirchenmauern einzusperren.

Auf dem Sakramentsfenster (siehe das Bild oben) begegnen dem Betrachter Pfeile in rot und rot-gelb-weiß. Die Sakramente, mit denen die Kirche den Menschen zu dienen hat, sind Zeichen für Gottes Wirken und seine Botschaft vom Kreuz. Dynamische Bleiruten begegnen auf geraden und krummen Wegen dieser Botschaft, machen Erfahrungen von Liebe und Frieden (umschlossene rote Splitter), die mitten in Kirche und Welt kostbar, aber vorläufig sind. Der im gesamten Zyklus einmalig verwendete Farbton Magenta (unten rechts) als Mischung von Blau und Rot ist möglicherweise ein Hinweis auf das neue Leben aus der Taufe.

Dominierend ist in beiden Fenstern die strahlende Gottesfarbe Weiß. Während sie auf allen anderen Fenstern stärker oder schwächer vorhanden ist, bildet sie hier den alles prägenden Hintergrund, verweist auf Fundament wie Ziel der Kirche, auf ihre Aufgabe und verbindet beide Fenster mit dem weißen Streifen im sich anschließenden Begegnungsfenster. So schließt der Fensterzyklus von Johannes Schreiter mit einer Einladung zu erneuter Begegnung und Kommunikation.

Wir befinden uns mitten in der Reformationsdekade, die zum Reformationsjubiläum im Jahre 2017 hinführt. Das Themenjahr 2015, das am Reformationstag eröffnet wurde, steht unter dem Thema "Reformation - Bild und Bibel". Wir beleuchten dieses Thema jeden Monat von einer anderen Seite. "Licht" und die Inszenierung von Licht, wie es eben durch Kirchenfenster gebrochen wird, ist das Monatsthema im Januar 2015.


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Publikationsdatum dieser Seite: Mittwoch, 7. Februar 2018 16:59