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Freiräume - Kunst zu Passion und Ostern im Gefängnis

Passion und Ostern - Schuld, Vergebung und Hoffnung. Die großen Themen des Glaubens begegnen uns in diesen Tagen. Wie hört man diese Botschaft, wenn man im Gefängnis in Untersuchungshaft sitzt und auf ein Urteil warten muss? Oder wenn man zu einer mehrjährigen oder gar lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt wurde?

Kunst kann helfen das Unsagbare auszudrücken. Künstlerische Mittel können dort ansetzen, wo die eigenen sprachlichen Mittel verstummen. Bei aller Ambivalenz, die das Bild für die evangelische Kirche hat, so weiß sie es doch auch produktiv zu nutzen. So wie in der Justizvollzugsanstalt Karlsruhe. Dort starteten die Gefängnisseelsorger zusammen mit der Karlsruher Künstlerin Éva Balogh ein vorbildliches Projekt. Zusammen mit einer Künstlerin haben die Gefangenen selbst Kunst geschaffen und so einen neuen Blick auf ihr Leben geworfen. Entstanden sind drei Säulen: zu Karfreitag (Tag des Schmerzes), zu Karsamstag (Säule der Vergebung) und zu Ostersonntag (Säule der Hoffnung).

Die Gefangenen gestalteten jeweils in Gruppen eine Säule. Es sind drei Collagen entstanden. Zu den Themen "Schuld", "Vergebung" und "Hoffnung" gab es vorher meditative Einführungen mit Bibeltexten durch die Gefängnisseelsorger. Dabei entwickelten sich intensive Gespräche, auch mit der Künstlerin und unter den Gefangenen.

"Zeig mir deine Wunde": so lautet, in Anlehnung an Joseph Beuys, das Leitwort für die erste Säule. Éva Balogh hat den Satz aus ihrem Altartriptychon für die Gefängniskapelle sowie aus ihrem Gemälde "Der gebeugte Mensch" entwickelt. Die Gefangenen haben sich von diesem Satz inspirieren lassen und ihre erste Säule gestaltet. Beim Stichwort "Wunde" ist ihnen vor allem ihre eigene derzeitige Situation eingefallen. "Wir sind in der Hölle", hat einer formuliert. "Wut", "Enttäuschung" schreibt ein anderer. Fast schon biblisch das Wort vom "Jammertal", das ein anderer gefunden hat. Es passt zu dieser traurigen Stimmung, dass die erste Säule als Collage (so genanntes "Cut-up") aus Zeitungsausschnitten besteht: Es dominiert (Drucker-)Schwärze.

Eine zweite Gruppe von Gefangenen gestaltete die zweite Säule. Es ist die "Säule der Vergebung". Die Gefangenen wurden gebeten, Gedanken zu dem Wort "Vergebung" aufzuschreiben. Einer stellte eine Entwicklung dar. Er ordnete der Vergangenheit die Begriffe Wut, Schmerz, Trauer und Hass zu. Zur Zukunft fiel ihm Sehnsucht, Glück und Zufriedenheit ein. Die Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Zukunft war die Vergebung: Sie ist für Strafgefangene der Schlüssel zur Zukunft. Ein anderer malte an die Säule: "Ich lieb' dich trotzdem."

"Säule der Hoffnung" heißt die dem Ostersonntag zugeordnete Stele. Die unsichtbare Kraft, den neuen Geist, den sich die Gefangenen für ihr Leben wünschen, haben sie im Symbol der Taube sichtbar gemacht und an die Säule geheftet. Die Blätter, aus denen die Tauben gefaltet sind, wurden zuvor beschriftet. In dieser Stele drücken die Gefangenen aus, was Auferstehung für sie in ihrem Leben bedeutet: Sie wünschen sich einen erneuerten Geist, der ihnen ohne Verstrickungen und ohne Straftaten ein neues, ein friedlicheres Leben ermöglicht.

Wir befinden uns mitten in der Reformationsdekade, die zum Reformationsjubiläum im Jahre 2017 hinführt. Das Themenjahr 2015 steht unter dem Thema "Reformation - Bild und Bibel". Wir beleuchten dieses Thema jeden Monat von einer anderen Seite. Die Fülle der Bibel und des Glaubens führen immer neu zu Ausdrucksformen, Gott zu loben und den christlichen Glauben zu kommunizieren: Große Werke der Kunstgeschichte bezeugen dies ebenso wie auch das kleinste selbst gemalte Bild zur Bibel. Kunstwerke von großen Künstlern bezeugen das ebenso wie jeder von uns, der sich selbst künstlerisch betätigt. Im eigenen Malen können wir den Glauben ausdrücken, uns neu erschließen und auf unser Leben beziehen - so wie die Strafgefangenen in unserem Projekt des Monats.


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Publikationsdatum dieser Seite: Mittwoch, 7. Februar 2018 16:59